Der Bezirksvorsteher des 22. Wiener Gemeindebezirks, Ernst Nevrivy, zu dessen politischen Einflussbereich die Lobau gehört, hat am 6. März auf seiner Facebook-Seite ein Foto von sich und SPÖ-Klubchef Josef Taucher mit der neuen Nationalparkdirektorin veröffentlicht. „Unsere wunderbare Lobau“, schwärmt er, und dass sie „von großer Bedeutung wegen der besonderen Lebensräume und der Artenvielfalt“ sei.
Alles grün, alles gut.
Herr Nevrivy scheint leider uninformiert oder an der Lobau nicht besonders interessiert zu sein. Sonst hätte er die Gelegenheit genutzt, einerseits die Nationalparkdirektorin willkommen zu heißen und gleichzeitig einen flammenden Aufruf zur Rettung der Landschaft zu veröffentlichen.
Was der Bezirksvorsteher wissentlich oder unwissentlich ignoriert:
Derzeit gehen in der Unteren Lobau durch Verlandung pro Jahr bis zu 3,5 Prozent der Gewässerlebensräume verloren. Ohne entsprechendes Management, so heißt es in einer 2018 erschienenen wissenschaftlichen Publikation, werden die meisten Augewässer und Feuchtgebietsflächen in diesem Teil des Nationalparks Donau-Auen innerhalb der kommenden Jahrzehnte komplett verschwinden.
Es sei denn, die Politik lässt sich endlich dazu herab, etwas zu tun und Entscheidungen zu treffen, die es möglich machen, die Lobau mit Wasser aus dem Entlastungsgerinne zu speisen.
Der ehemalige Direktor des Naturhistorischen Museums, der Ökologe und Nationalparkbeirat Bernd Lötsch hat das am 27.2.2019 vor dem Wiener Naturschutzbund in deutliche Worte gefasst:
„Das Entscheidende ist: Wenn wir jetzt nichts unternehmen, können wir der Lobau nur mehr beim Sterben zuschauen. Dabei hat es noch nie so viel, so gutes Wasser gegeben für die Dotation wie jetzt, nämlich aus dem Entlastungsgerinne. So eine gute Qualität hätten wir früher von der Donau gar nicht bekommen. Das Problem ist, dass die Wasserwerke behaupten, wenn man die nötige Menge über die Oberflächengewässer dotiert, dann sei die hygienische Qualität des Grundwassers, das man dort aus dem Brunnen pumpt, nicht mehr gewährleistet. Und die einzige Möglichkeit ist, dass man ein bereits existierendes Projekt für eine Wasseraufbereitung reaktiviert. So wie es die NÖSIWAG (Anm.: Niederösterreichische Siedlungswasserbau Gesellschaft) in Niederösterreich macht! Da gibt es ja auch Überschwemmungen und da werden vorübergehend die Brunnen gesperrt. Wenn man also eine Wasseraufbereitung machen würde, wie sie üblicherweise bei Uferfiltratbrunnen dieser Art eh gemacht wird, dann könnte man in die Lobau noch und noch Wasser aus dem Entlastungsgerinne hineinpumpen und ihr somit das wichtigste Lebenselixier geben. Denn sonst, wie gesagt, können wir ihr nur beim Sterben zuschauen.“
Ein Monat zuvor, am 27.1.2019, hat der langjährige Nationalparkdirektor Carl Manzano im „KURIER“ ebenfalls auf diesen entscheidenden Sachverhalt hingewiesen:
„Was große Sorgen macht, sind die Gewässer in der Unteren Lobau. Da müsste etwas geschehen. Aber so lange dort Trinkwasser ohne Aufbereitung gewonnen wird, sind notwendige Projekte schwer umzusetzen.“
Die einzigen, die sich keine Sorgen machen, scheinen die Wiener Gemeinde- und Bezirkspolitiker zu sein.
Titelfoto: Peter Appelius
Mehr über die vertrocknende Lobau und die schon geplante, aber wieder abgesagte Wasseraufbereitungsanlage: