Von Ende des 19. Jahrhunderts an erhoffte man sich in Österreich von der „Bildung für alle“ einen wesentlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt. So entstand eine Vielzahl von Bildungsvereinen, die späteren Volkshochschulen.
Im Rahmen der naturwissenschaftlichen Bildung spielte auch die Lobau aufgrund ihrer Vielfalt und ihrer Nähe zu Wien eine wichtige Rolle. Es waren oft weltbekannte Wissenschaftler und heute legendäre Naturschützer, die in Vortragssälen über sie berichteten, Lichtbilder zeigten und ihre Schüler auf Exkursionen begeisterten.
Zwischen 1905 und 1923 nahm sich der noch heute berühmte Wiener Zoologe Franz Werner (1867 – 1939) der Lobau an, im Rahmen von volkstümlichen Universitätsvorträgen, für den Verein Volksheim und für den Wiener Volksbildungsverein.
Werner war ab 1909 Professor für Zoologie an der Universität Wien, er war Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Zoological Society of London, Ehrenmitglied der American Society of Ichthyologists and Herpetologists. Mehr als hundert Reptilienarten wurden von ihm erstmals wissenschaftlich beschrieben.
Zur Volksbildung trug er mit Dutzenden Vorträgen (vor allem über seine vielen Afrika-Reisen) und mit Exkursionen bei, 1905/06 etwa mit der Veranstaltung „Naturwissenschaftlicher Kurs – die Fauna von Niederösterreich mit Führung Lobau“, 1912/13 mit „Naturwissenschaftlicher Kurs: Das Tierleben der Donauauen – Lichtbilder und Führung Lobau.“
Seine Schüler taten es ihm gleich. Alois Rogenhofer (1878 – 1943) war Assistent am Zoologischen Institut und später Direktorstellvertreter der Wiener Universitätsbibliothek. Im Semester 1908/09 leitete er einen „Zoologischen Ausflug“ in die Lobau.
Der Entomologe Max Beier (1903 – 1979), Gründungspräsident der Österreichischen Entomologischen Gesellschaft und Abteilungsleiter (später Zoologischer Direktor) am Naturhistorischen Museum, leitete im Semester 1929/30 unter dem Titel „Die Tierwelt des Auwaldes“ ebenfalls einen Tagesausflug in die Lobau, 1933/34 unternahm er mit Volkshochschülern eine „Zoologische Wanderung“ in die Lobau.
Dem langjährigen Leiter der Herpetologischen Sammlung des Wiener Naturhistorischen Museums und späteren Universitätsprofessor Otto Wettstein (1892 – 1967), der Franz Werner auf zahlreichen Reisen begleiten durfte, zog es ebenfalls in die Donauauen. 1922/23 und 1923/24 führte er „Lehrausflüge“ in die Lobau und porträtierte „Das Tierleben der Lobau“ mit „Lichtbildern und Filmen“.
Zwischen 1918 und 1924 widmete sich der Naturschützer und Paläontologe Günther Schlesinger (1886 – 1945) im Rahmen der Volksbildung unter anderem der Lobau. Schlesinger war zuletzt Hofrat und Regierungsdirektor am Niederösterreichischen Landesmuseum und gilt heute als „Vater des Österreichischen Naturschutzes“. Er war vom Wunsch beseelt, die Natur den Menschen nahe zu bringen, sie aber gleichzeitig vor den Menschen zu schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, brachte er ab 1913 die Zeitschrift “Blätter für Naturkunde und Naturschutz” heraus. Damit war in Österreich erstmals öffentlich von „Naturschutz“ die Rede.
Sein Wirken im Sinne der Lobau fand in der Wiener Urania statt. Die Titel seiner Lehrveranstaltungen: „Die Krongüter und ihre Zukunft: Die Wald- und Auengüter (Lainzer Tiergarten, Lobau und Prater (mit Lichtbildern und Filmen)“, „Die Lobau und der Lainzer Tiergarten (mit Lichtbildern und Filmen)“ und „Die Lobau“.
1923/24 hatte man die einmalige Gelegenheit, mit Bruno Huber (1899 – 1969) eine „Botanische Exkursion Lobau“ unternehmen zu dürfen. Der Botaniker war zunächst Assistent an der Universität für Bodenkultur, 1946 wurde er Vorstand des Forstbotanischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität München und Ordinarius für Anatomie, Physiologie und Pathologie der Pflanzen.
Ein vergleichbares, gewissermaßen denkwürdiges Ereignis war die „Botanische Führung Lobau“ mit Fritz Geßner (1905 – 1972), die im Semester 1927/28 durchgeführt wurde. Der Botaniker habilitierte sich in München mit einer Arbeit über die Atmung der Wasserpflanzen, gründete die Biologische Forschungsstation Hiddensee (an der Ostsee) und wurde im Laufe seiner Karriere einer der besten Kenner der tropischen südamerikanischen Pflanzenwelt. 1960 erhielt er einen Ruf an den Lehrstuhl für Meeresbotanik am Institut für Meereskunde in Kiel, den er bis zu seinem Tod innehatte.
1927/28 konnte man mit Karl Hagen im Vortragssaal und auch tatsächlich in die Lobau reisen. Seine Themen: „Das Tier- und Pflanzenleben des Auwaldes“ und „Die Raubvogelwelt der Lobau“. Hagen wurde danach Forstdirektor der Stadt Wien, war nach 1945 1. Vorsitzender des Naturschutzbundes und verhinderte gemeinsam mit dem späteren Wiener Bürgermeister Bruno Marek, dass der Lainzer Tiergarten zur Verbauung freigegeben wird.
Hans Franke (1897 – 1990) war Gründungs- und Ehrenmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Vogelkunde (heute BIRDLIFE). In den Volkshochschul-Semestern 1931/32 und 1936/37 veranstaltete er für die Urania Führungen über „Das Vogelleben in der Lobau“. Franke hatte die Fähigkeit, Vogelstimmen naturgetreu nachpfeifen zu können. Die österreichische Rundfunkgesellschaft sendete Frankes Gezwitscher lange Zeit als Morgengruß und ließ ihn im Anschluss die entsprechende Vogelart beschreiben. Damit erwarb er sich den volkstümlichen Titel “Vogelfranke”.
Zwischen 1950 und 1953 hatten die Volkshochschüler das Vergnügen, mit Johann Handl (1891 – 1975) durch die Natur streifen zu können. Der Lehrer, Bezirksschulinspektor und begeisterte Vogelkundler Handl war für die SPÖ von 1954 bis 1960 Mitglied des österreichischen Bundesrates. Für die Volkshochschulen Alsergrund, Währing und Margareten gründete er eine „naturkundliche Wandergruppe“, die ihre Aktivitäten im Wienerwald und in der Lobau entfaltete.
Im Programm des Vereins „Volksheim Ottakring“ wurden von 1934 bis 1937 die naturwissenschaftlichen Wanderungen „Frühling in der Lobau“ und „Spätherbst in der Lobau“ unter der Leitung des Geologen Erwin Lahn (1907 – 1990) angeboten. Lahn fürchtete bei Hitlers Machtübernahme 1938 um das Leben seiner jüdischen Ehefrau und floh mit ihr in die Türkei, wo er unter dem Namen Emin İlhan (Emin Bey) als Geologe Karriere machte. Er verstarb in Ankara.
Dazu kommen
- Adolf Cerny, Professor am Institut für Verfahrenstechnik der Technischen Hochschule Wien (Biologische Ausflüge, Lebewelt der Kleingewässer 1923-1926)
- Franz Goigner, Vogelkundler (Leben in Tümpeln, Vogelwelt 1926/27 und 1952/53)
- Felix Göhlert, Biologe, Bodenkundler (Botanische Wanderung 1926/27)
- Oswald Rossi, Psychologe, später Dozent für moderne Sprachen in New York (Exkursion in die Lobau der Fachgruppe Philosophie 1928/29)
- Viktor Spitzenberger, Zoologe (Tierwelt 1929-1931)
- Wolfgang Himmelbaur, Botaniker, später Leiter der Abteilung für Arzneipflanzenbau und Drogenuntersuchung an der Landwirtschaftlich-Chemischen Versuchsstation in Wien (Exkursion 1913/14)
- Heinz Scheibenpflug, Naturschützer, Volksbildner und Erwachsenenbilder (Lehrwanderungen 1934-1938)
- Franz Zimmer, Forstingenieur, Buchautor, der als Verwalter einer Farm in Ostafrika für das Naturhistorische Museum sammelte. (Thema Jagd und Wild, Exkursionen 1957-1961)