Au (weh) – Intensivstation mit Stromausfall

Die Lobau ist der Rest eines großen Augebietes, das aus der Dynamik des Donaustroms entstanden ist und seit 150 Jahren durch Regulierungs- und Hochwasserschutzmaßnahmen stark eingeschränkt wurde.

Nichtsdestotrotz birgt sie immer noch eine erstaunliche Vielfalt an Lebensräumen, Pflanzen und Tieren. Deshalb wurde das Gebiet auch mehrfach unter Schutz gestellt (Naturschutzgebiet, Europaschutzgebiet, „Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung“ und Nationalpark).

Noch vor etwa zehn Jahren existierten großzügige Pläne zur Vernetzung der Lobaugewässer, um den Charakter und die Vielfalt eines dynamischen Auwaldes zu erhalten. Obwohl budgetiert, von Politikerinnen signiert und groß angekündigt, sind diese Pläne bis dato nicht in Angriff genommen worden.

Im Gegenteil: Selbst die bestehenden technischen Möglichkeiten, dem Gebiet Wasser zuzuführen und so den Auwald halbwegs am Leben zu halten, werden von der Wiener Verwaltung mitunter in kosmetischen Dosierungen realisiert, tatsächlich über lange Strecken in unverantwortlicher Weise hintangehalten.

Trockene Esslinger Furt im Sommer 2024
Esslinger Furt im April 2022 nach einer Wasserspende

Durchschnittlich gehen jährlich bis zu 3,5 % der Wasserfläche verloren. Besonders krass war die Situation in der Oberen Lobau in den Jahren 2017-2020, wo die Austrocknung dramatische Ausmaße annahm.

Nach zahlreichen Protesten von Naturschützern wurden im Sommer 2021 nach Eintiefung einiger stauender Hochpunkte wieder begrenzte Mengen aus der Alten und Neuen Donau in das Ökosystem gelassen. Das war eine gewisse Erfrischung der Oberen Lobau, die naturräumlich besonders wertvolle Untere Lobau bekam allerdings nichts von dem Frischwassersegen mit.

2023 wurde die über viele Jahre angekündigte Wehranlage von der Neuen Donau in die Panozzalacke fertiggestellt und medial als Naturschutzmaßnahme gefeiert, mit der man die dreifache Menge an Wasser in die Lobau schicken könne. Nun konnte man endlich hoffen, dass zumindest die Obere Lobau versorgt würde.

Das Gegenteil trat ein, die Wehre wurden kaum geöffnet, die Wasserstände in der Oberen Lobau haben wieder die Tiefststände von 2020 erreicht, und die Untere Lobau verlandet und verschlammt zusehends, weil viel zu wenig Wasser durch das System fließt.

Weitgehend verloren gingen bereits zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Demgegenüber steht eine Zunahme von invasiven Arten.

Verluste sind unter anderem bei Insekten zu verzeichnen. Einige Libellenarten sind aus dem Gebiet verschwunden, vornehmlich jene, die eine gewisse Dynamik des Wassers benötigen. Auch einige Schneckenarten an Land und im Wasser sind in der Lobau nicht mehr nachweisbar.

Besonders drastisch fällt der Befund bei den Flussmuscheln aus, sie sind praktisch weg. Und die Teichmuscheln darben. In einer 2007 publizierten Untersuchung war der drastische Rückgang der Großmuscheln bereits sichtbar und die Autoren der Studie empfahlen mit verstärkter Dynamik und bessere Anbindung der Altwässer an die Donau gegenzusteuern.

Ein möglicher Grund für das Verschwinden der Muscheln kann aber auch in einer Verarmung der Fischfauna zu suchen sein, da die Muschellarven für ihre Entwicklung bestimmte Fische benötigen. Bei den Fischen sind die Bestandsentwicklungen der letzten Jahre nicht ausreichend dokumentiert, aber bei den enormen Verlandungstendenzen muss jedenfalls mit Verlusten in der Artenvielfalt und den Populationsdichten gerechnet werden.

Nur nebenbei bemerkt, haben die Seeadler diesen Sommer in der Unteren Lobau nicht mehr gebrütet.

Die Lobau ist wie ein Patient in einer Intensivstation mit Stromausfall. Wenn nicht bald ein Notstromaggregat angeworfen wird und lebensrettende Maßnahmen ergriffen werden, wird sie irreparabel zugrunde gehen.

Esslinger Wüste?
Esslinger Furt: Wasserpflanzen im Trockenen

Leider sind die größeren Perspektiven gar nicht mehr im Gespräch.

Die Öffnung der Unteren Lobau zur Donau, die eine natürliche Dynamik in die Lebensräume brächte, die Artenvielfalt sicherten und nebst dem Hochwasserschutz auch die positiven Klimaeffekte des Wasserwaldes stärkten, böten vielfältige positive Effekte.

Und: Die Lobau ist bereits so geschädigt, dass ihre Rettung auch ein Thema für Maßnahmen im Rahmen des EU-Renaturierungsgesetzes sein könnte, um das geschädigte Ökosystem wieder in einen guten Zustand zu versetzen.

Verantwortlich sind neben dem Wiener Bürgermeister vier Wiener Magistratsabteilungen: 22 (Umweltschutz), 31 (Wasserwerke), 45 (Gewässer) und 49 (Forst). Würden sie weitblickend zusammenarbeiten, könnten sie Großes schaffen.

Da wäre eine Klimamusterstadt gefragt, die mutig in die Zukunft blickt und plant. Warum lenkt sie nicht, sondern lenkt ab?

Alle Fotos: Helmut Sattmann

Weiterführende Links:

https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_04_Hein-et-al.pdf

https://naturschutzbund.at/files/projekte_aktionen/ramsar_konvention/wwd24/wien_untere-lobau.pdf

https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_07_Duda-et-al.pdf

https://www.wien.gv.at/kontakte/ma22/studien/pdf/muscheln.pdf

https://auwald.info/2013/01/17/studie-auenschutz-ist-klima-hochwasser-und-naturschutz/

https://www.lobaumuseum.wien/cms/rathauspropaganda-feiert-geschnorrte-wassereinleitung-panozza-lacke/

https://www.lobaumuseum.wien/cms/flugkuenstler-und-paarungsradler/

https://www.meinbezirk.at/donaustadt/c-regionauten-community/die-donau-kann-die-untere-lobau-retten-doch-wien-stellt-sich-quer_a6455188

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