Wer jemals in Wien-Donaustadt in einem Wildgewässer baden war, kennt ihn, den Sonnenbarsch: im seichten Wasser, gar nicht scheu, in kleinen Gruppen, hell gelblich, die erwachsenen Männchen aus der Nähe so schön wie ein Pfau.
Kommt man zur Fortpflanzungszeit einem gegrabenen Sonnenbarsch-Nest zu nahe, kann es sein, dass sich das Männchen auf die nackten Füße des Badenden stürzt – und mutig hineinzwickt.
Wann sich die aus Nordamerika stammenden Fische im Prater und der Lobau etabliert haben, lässt sich nicht mehr genau feststellen.
Mutmaßlich war es irgendwann zwischen 1910 und 1930. Denn in den 1930er-Jahren waren sie im Heustadelwasser und in der Alten Donau bereits häufig anzutreffen. Heute sind sie im 22. Bezirk in praktisch allen Gewässern zu finden – in der Neuen Donau, der Alten Donau, in der gesamten Lobau und in den zahlreichen Schotterteichen.
Aber wie und warum sind die Sonnenbarsche nach Europa gelangt und wieso hat man sie hier ausgesetzt?
Feststeht, dass sie 1877 erstmals nach Paris importiert worden sind. 1891 wurden sie schließlich vom Fischzüchter und Angler Max von dem Borne nach Deutschland geholt, in seiner Teichwirtschaft in Berneuchen (nordöstlich von Berlin, heute Polen) zu Tausenden vermehrt – und als Aquarienfische in den Handel gebracht.
Das Heizen von Aquarien für Fische aus tropischen Ländern war zu jener Zeit technisch herausfordernd. Die Zierfischliebhaber setzten deshalb auf bunte Arten aus gemäßigten Breiten, die kaltes Wasser und lange Winter vertragen; Sonnenbarsche zum Beispiel:
Sie werden durchschnittlich nur zehn Zentimeter groß (obschon aus Amerika eine Rekordgröße von vierzig Zentimetern bekannt ist), darüber hinaus zeigen sie interessante Verhaltensweisen. Die Männchen legen im seichten Wasser Laich-Gruben an, oft zwanzig Zentimeter Durchmesser und mehrere Zentimeter tief. Das Gelege und die Brut werden rund 14 Tage lang bewacht. Zur Einschüchterung von Rivalen besitzen die Männchen an den Kiemendeckeln „Augenflecken“, die den Kopf größer erscheinen lassen.
Die Freude über die bunten „Exoten“ und die Tatsache, dass sie sich leicht vermehren ließen, führte dazu, dass sie von den Zierfischhaltern allerorten ausgewildert wurden – zur „Bereicherung“ der Natur, wie man damals annahm.
In Deutschland und in der Schweiz geschah das früher als in Österreich: Schon im Jänner 1898 wurden viertausend junge Sonnenbarsche im Genfer See freigelassen. 1903 wurde erstmals einer im Rhein gefangen.
Nicht alle Fischkundler und Aquarienpfleger standen dem unkritisch gegenüber. Der bekannte Mediziner und Fachautor Dr. Wilhelm Roth aus Zürich sprach sich schon 1906 gegen das weitere Einsetzen des Sonnenbarsches in unseren Gewässern aus. Die damals bedeutende Münchner Gesellschaft für biologische Aquarien- und Terrarienkunde „Isis“ schloss sich seinen Ausführungen an.
Denn der konkurrenzstarke, aggressive Sonnenbarsch gilt – vor allem, wenn er in Massen auftritt und in isolierten Gewässern – als Nahrungs- und Raumkonkurrent für heimische Fische. Größere Exemplare werden als Laich- bzw. Jungfisch- und Amphibienfresser gefürchtet.
Um die heimischen Fische vor dem Druck eingeschleppter Arten zu schützen, ist den Anglern im Nationalpark Donau-Auen deshalb das Zurücksetzen gefangener Sonnenbarsche nicht erlaubt. In den Fischereiordnungen steht: „Gefangene Fische nicht heimischer Arten müssen entnommen werden.“
Die menschengemachte Verbreitung des Sonnenbarsches wurde trotz Warnungen noch jahrzehntelang fortgesetzt. Um 1960 wurden sie zum Beispiel im Teich des Schlossparks von Eisenstadt ausgesetzt, 1972 hat man sie erstmals im Neusiedlersee gefunden.
Die ältesten, im Wiener Naturhistorischen Museum gesicherten Alkoholpräparate stammen übrigens von 1952 aus der Alten Donau und von 1954 aus der Lobau.
In Afrika wurden die Sonnenbarsche in Marokko eingebürgert, in Asien in Georgien und der Türkei, in Südamerika in Chile, Venezuela und Brasilien, in Mittelamerika in Guatemala und in Kuba.
Anton Klein, in den 1970er-Jahren Retter der Lobau und Gründer des Lobaumuseums, beschrieb die Faszination, die vor hundert Jahren von diesem vielfarbigen, aus dem fernen Amerika stammenden Fisch ausgegangen sein muss.
Sein Vater und er hätten 1935 im Prater ihren ersten wildlebenden Sonnenbarsch gefangen – und zwar im „Krebsenbachl“, wie die Verlängerung des Heustadelwassers genannt wurde, die sich (Zitat Klein) „in Richtung zur Endstation der Straßenbahnlinie 11 erstreckt“.
Anton Klein: „Man konnte deutlich auf den Grund des Gewässers blicken, da heller Sand und das Fehlen von Wasserpflanzen die Sicht begünstigten. Als ich mit dem Blick einer Ringelnatter folgte, die sich mit erhobenem Kopf an der Wasseroberfläche dem Schilf zu schlängelte, bemerkte ich in der Bucht einen barschartigen Fisch, dessen Kiemendeckel einen häutigen Anhang hatten „Ein Sonnenbarsch!” rief ich meinem Vater zu und wies mit der Hand in die Richtung des Fisches.
Ungläubig lächelte mein Vater. Er nahm aber dennoch das Tümpelnetz und fuhr langsam auf den Fisch zu. Zu unserer Überraschung schwamm er aber nicht davon, sondern mit gespreizten Flossen auf das Netz zu und in dieses hinein. Rasch zog mein Vater das feinmaschige Netz hoch.
Fassungslos starrten wir auf ein darin zappelndes Sonnenbarschmännchen von noch nie gesehener Farbenpracht. Als wir es uns im Glas staunend und vor Freude überschäumend betrachteten, kamen Leute – darunter auch Fischer – herbei, die sich mit uns an dem Anblick dieser farbensprühenden Fische weideten. Übereinstimmend erklärten alle, sie hätten noch nie einen so schönen Fisch gesehen. Obwohl man ihn uns abkaufen wollte, gaben wir ihn nicht her und trugen ihn wie einen kostbaren Schatz nach Hause.“
Quellen:
- Zacharias, Otto [Emil] (1905): Hydrobiologische und fischereiwirtschaftliche Beobachtungen an einigen Seen der Schweiz und Italiens. In: Forschungsberichte aus der Biologischen Station zu Plön – 12: 169 – 302
- N.N. (1907): Wochenversammlung der Gesellschaft für biologische Aquarien- und Terrarienkunde zu München „Isis“ am 30. August 1906. In: Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde, 1907. Bezugnehmend auf “Wochenschrift für Aquarien- und Terrarienkunde” Nr. 36/1906
- N. N. (1931) Der Sonnenbarsch als Wildfisch in deutschen Gewässern. (Bericht aus „Fischerei-Zeitung 1929, Nr. 48). In: Kleine Mitteilungen. Wochenschrift für Aquarien- und Terrarienkunde, 14. April 1931
- Kroneker, Karl (1937): Der Gemeine Sonnenfisch. In: Illustrierte Kronen-Zeitung, 18. Jänner 1937 (S. 6)
- N. N. (1938): Neue Exoten im Vivarium. In: Neues Wiener Abendblatt, 12. Juli 1938
- Sauerzopf, Franz (1965): Zum Vorkommen von Lernaea Linnaeus 1746 (Copepoda Parasit.) im Burgenland. In: Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland – 034: 67 – 69
- Klein, Anton (1970): Wann wurde der Sonnenbarsch bei uns heimisch? In: Das Steckenpferd 5/1970
- Kritscher, Erich (1973): Die Fische des Neusiedlersees und ihre Parasiten. Einleitung, Fischliste und Statistik. In: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien – 77: 289 – 297
- Mikschi, Ernst (2005): Centrarchidae (Sonnenbarsche). In: Aliens. Neobiota in Österreich. Grüne Reihe, Band 15. Böhlau Verlag
- Arnold, Andreas (2018): Ausbreitung des Kürbiskern-Sonnenbarsches Lepomis gibbosus (Linnaeus 1758) (Pisces: Centrarchidae) im Gebiet zwischen Halle und Leipzig. In: Hercynia N. F. 51 (2018): 155 – 167
- Soes, D.M., Cooke, S.J., van Kleef, H.H., Broeckx, P.B., Veenvliet, P. (2011): A risk analysis of sunfishes (Centrarchidae) and pygmy sunfishes (Elassomatidae) in the Netherlands. Final Report No.: 11-042
- Lepomis gibbosus (Linnaeus, 1758), Pumpkinseed. In: https://www.fishbase.se/summary/Lepomis-gibbosus.html (abgerufen am 22.7.2024)
Titelfoto: Anton Klein