Die Stadt wächst maßlos, die Lobau kommt immer mehr unter Druck. Dennoch ist sie nach wie vor für Überraschungen gut. Helga Pöchhacker-Florian und Martina Staufer berichten in einer aktuellen wissenschaftlichen Publikation über den erstaunlichen Nachweis von zwei neuen Libellenarten:
Die „Östliche Moosjungfer“ und die „Zierliche Moosjungfer“ sind Großlibellen, die in Österreich extrem selten sind.
Im Mai 2018 wurden überraschend bodenständige Vorkommen dieser beiden Arten in der Oberen Lobau entdeckt. Dabei handelt es sich bei der Zierlichen Moosjungfer um den ersten Nachweis für Österreich seit rund hundert Jahren. Der jüngste, im Naturhistorischen Museum in Wien verfügbare Beleg stammt vermutlich aus dem Jahr 1917. Das der Lobau nächstgelegene Vorkommen der Zierlichen Moosjungfer befindet sich in der Slowakei.
Für die Östliche Moosjungfer ist der Lebensraum am Mühlwasser und am Tischwasser das einzige österreichische Fortpflanzungsgebiet abseits von Kärnten. In Südkärnten existiert aktuell eine lokal sehr begrenzte Population in der Umgebung von Ferlach. 2017 wurde die Östliche Moosjungfer erstmals in Wien an der Alten Donau fotografiert. Das nächstgelegene Vorkommensgebiet jenseits der österreichischen Grenze liegt in Südmähren und Südböhmen.
Die Moosjungfern sind FFH-Zielarten im Schutzgebietsnetzwerk der Europäischen Union. Beide werden in der Roten Liste Österreichs als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft.
Bei der Östlichen Moosjungfer gelang es Helga Pöchhacker-Florian den Vorgang des Schlüpfens bei acht verschiedenen Gelegenheiten zu beobachten: Die Libellen starteten jeweils um die Mittagszeit zu ihrem Jungfernflug. Die meisten Moosjungfern schlüpften Mitte Mai. Von etwa hundert aufgefundenen Häutungsresten stammte mehr als die Hälfte von weiblichen Tieren.
Die Larven der Libellen sind wasserlebend. Ein bis zwei Jahre dauert es, bis sie an Land kriechen und sich in eine Libelle verwandeln.
Helga Pöchhacker-Florian und Martina Staufer kommen am Ende ihrer Publikation zur Einsicht, dass es für die Entwicklung der Moosjungfer-Bestände langfristig entscheidend sein wird, „ob der zunehmenden Verlandung des Mühl- und Tischwassers ausreichend entgegengesteuert werden kann.“ „Ihre Zukunft“, so schreiben sie, würde „höchstwahrscheinlich direkt von der Weiterführung und der Intensität der durchgeführten Dotationsmaßnahmen“ abhängen.
Dazu käme als weitere Bedrohung ein übermäßiger Nährstoffeintrag in die Gewässer: „Hohe Nährstoffeinträge sind vor allem durch die im Norden angrenzende landwirtschaftliche Nutzung und im Sommer von einer großen Zahl an Badegästen entlang des Oberen und Unteren Mühlwassers zu erwarten.“
In Zukunft sollten die Ansprüche der seltenen Libellenarten in den Gewässermanagementplänen des Mühl- und Tischwassers „prioritär berücksichtigt“ werden.
(Titelfoto: Zierliche Moosjungfer, Männchen)
Quelle:
Martina Staufer, Helga Pöchhacker-Florian (2018): Erste aktuelle Reproduktionsnachweise der Östlichen Moosjungfer (Leucorrhinia albifrons) und der Zierlichen Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis) aus Wien mit Beiträgen zur Phänologie in Ostösterreich (Odonata: Libellulidae) – Beiträge zur Entomofaunistik – 19: 95 – 110 (Dezember 2018)
Alle Fotos: Martina Staufer